Bonaire

Meldung von der Brücke: „Unsere nautische Position beträgt 12 Grad, 8 Minuten Nord und 68 Grad, 16 Minuten West. Die Lufttemperatur beträgt am Morgen um 9 Uhr 28 Grad im Schatten, die Temperatur des karibischen Meeres beträgt aktuell 26,4 Grad. 

In einer nächtlichen Überfahrt haben wir nach 60 Seemeilen (112 Kilometern) den Hafen von Kralendijk auf Bonaire erreicht“…

Unser erster Eindruck: Dieses Kralendijk ist eher ein Dorf als eine Stadt. Alles fällt ein paar Nummern kleiner aus als am Vortag in Willemstad auf Curaçao. Die Insel wirkt auf den ersten Blick flach und trocken, nur in der Ferne im Norden der Insel scheint es ein paar kleine Berge zu geben. Kein Wunder, dass die im Jahre 1499 hier eingefallenen Spanier die Inseln Bonaire und die vorgelagerte Insel Klein-Bonaire kurzerhand auf den Namen „Islas inútiles“ tauften, was übersetzt so viel bedeutet, wie die nutzlosen Inseln. Den wahren Wert erkannten erst später die Niederländer, die hier in Salinen reichlich Salz abbauten, welches in der Heimat heiß begehrt war für die Nahrungsmittelkonservierung aber auch industriell genutzt wurde, beispielsweise bei der Herstellung des Delfter Porzellans.

Die Insel ist die kleinste der ABC-Inseln und mit seiner Fläche von 288 Quadratkilometern immer noch 100 Quadratkilometer kleiner als beispielsweise die Stadt Bremen. Nur etwa 16.500 Menschen leben auf der Insel. Dennoch gibt es einen internationalen Flughafen mit Verbindungen in die USA und nach Europa. Der Flughafen ist übrigens nach den berühmtesten Bewohnern der Insel benannt, er heißt Flamingo Airport. Die menschlichen Bewohner leben von der Erdölindustrie und dem Tourismus. Riesige Erdöllager bunkern normalerweise das schwarze Gold, das aus dem weltgrößten Erdölvorkommen im nahegelegenen Venezuela gefördert wird. Aktuell jedoch herrscht Stillstand in der Erdölindustrie auf Bonaire, da aufgrund der politischen Krise im Nachbarland und einer Seeblockade kein Erdöl das südamerikanische Land mehr verlässt. Bleibt also noch der Tourismus. Abgesehen davon, dass gelegentlich ein Kreuzfahrtschiff den Hafen von Kralendijk anläuft, bezeichnet sich die Insel selbst als „Diver’s Paradise“ also als Tauchparadies.

Die Tauchbedingungen suchen in der Tat weltweit ihresgleichen. Mehr als 60 Tauchplätze können direkt von Land aus betaucht werden. Die Tauchplätze sind an der Küstenstraße markiert. Man parkt also einfach sein Auto dort und springt ins Wasser. Einfacher geht’s nicht. 

Somit dürfte jedem/r Leser/in dieses Textes spätestens jetzt klar sein, wie sich heute Guido’s Tag gestaltet. Richtig: Ausnahmsweise wird getaucht…! Aber keine Sorge, es ist der letzte Tauchtag auf dieser Reise, das ist Sandra versprochen.

Und Sandra? Tut der Hintern weh vom Radeln. Auch für sie ist heute Wasser das entscheidende Element. Es geht auf einen kleinen Segeltörn entlang der Küste in ein  Meeresreservat zum Schnorcheln.

Hier zunächst Guidos Tagesbericht:

Heute darf ich fast schon ausschlafen, denn das Tauchboot geht erst um 9:15 Uhr direkt neben der AIDAPerla längsseits, um mich und fünf weitere Taucher aufzunehmen. Das Tauchboot ist wirklich nur ein Böötchen und gerät mit uns Tauchern und unserer Ausrüstung bereits an seine Kapazitätsgrenze. Das Zusammenbauen und Anlegen der Ausrüstung findet so unter sehr erschwerten Bedingungen statt. Immerhin gibt es Toiletten: Damen auf Backbord, Herren auf Steuerbord, wenn ihr wisst, was ich meine!

Unser erster Tauchgang findet in Sichtweite der AIDA Perla statt. Es wird ein entspannter, gemütlicher Tauchgang hinab zu einem Korallenriff. Das, was ich zu sehen bekomme, ähnelt der Unterwasserlandschaft auf Curaçao. 

Die Oberflächenpause vor dem zweiten Tauchgang verbringen wir in der Enge des Bootes, zusammengepfercht wie Hennen in einer Legebatterie. Unsere lokale Tauchführerin kommt übrigens aus Frankreich und legt daher besonderen Wert auf unser leibliches Wohl. Hungern müssen wir also nicht. Sie lebt seit vier Jahren auf der Insel und gibt bereitwillig Auskunft zu Fragen über das Leben hier. 

Gesprächsthema ist die komplizierte politische Situation der ABC-Inseln und weiterer Inseln der ehemals niederländischen Antillen. Im Jahre 2010 wurde der Verband der sogenannten niederländischen Antillen aufgelöst. Ein durchgeführtes Referendum, quasi ein Nexit, wurde zumindest für Bonaire nachträglich als unwirksam erklärt, da die Wahlbeteiligung lediglich bei 35% lag. Während die Nachbarinseln Curaçao und Aruba den Landesverband per Referendum im Jahre 2010 verließen, ist Bonaire nun zusammen mit den Inseln Saba und Sint Eustatius, die sich weiter nördlich in der Inselgruppe der kleinen Antillen befinden, als eine Art niederländische Gemeinde ins Mutterland eingegliedert. Im Unterschied zu „normalen“ niederländischen Gemeinden gibt es hier jedoch keinen Bürgermeister, sondern einen neunköpfigen Inselrat. Nach Auflösung der Niederländischen Antillen brauchte Bonaire auch eine neue Währung, was für 16.500 Einwohner natürlich eine kostspielige Angelegenheit ist. Daher ist die Währung seitdem einfach der US-Dollar. Diese politische Entwicklung näher an das Mutterland wird von vielen Insulanern, insbesondere den Nachfahren der aus Afrika verschleppten Sklaven sehr kritisch gesehen. In dieser Bevölkerungsgruppe hat man nicht viel am Hut mit den Niederlanden. Es kann in diesen Kreisen nicht die Tatsache vergessen werden, dass es die Niederlande waren, die als letztes Land weltweit auf ihren Karibikinseln die Sklaverei abgeschafft haben. So jedenfalls berichtet es unser Tauchguide.

Als zweiten Tauchgang und quasi als Höhepunkt meiner drei Tauchtage steht der Besuch eines Wracks an der Südküste Bonaires auf dem Programm. Wir wollen hinunter zum berühmten Wrack der Hilmar Hooker. Auch hierzu gibt es eine Geschichte, die Elemente einer Anekdote enthält:

Die Hilmar Hooker fuhr früher als Frachtschiff im Liniendienst zwischen Panama und Venezuela. Irgendwann wurde es altersschwach und geriet deshalb vor Bonaire aufgrund seines desolaten Zustands im Jahre 1989 in Seenot. Demzufolge wurde der manövrierunfähige Kahn in den Hafen von Kralendijk geschleppt. Dort fand man bei der Gelegenheit 11 Tonnen Marihuana an Bord des Schiffes. Diese wurden von den Behörden konfisziert (unverständlich, handelte es sich doch um niederländische Behörden!). Das gesamte Marihuana soll dann verbrannt worden sein. Da zu dem Zeitpunkt wie meistens in diesem Teil der Karibik Ostwind herrschte, zog die Rauchwolke angeblich bis nach Aruba. Seitdem lautet das Inselmotto von Aruba „one happy island“…, klar soweit?

Als man merkte, dass der alte Kahn im Hafen von Kralendijk durch ein Leck in seinem verrosteten Rumpf zu sinken begann, wollte man ihn zum Sterben hinaus auf die offene See ziehen. Leider krepierte der Kahn noch an der Schleppleine vor der Südküste. Das ist ein glücklicher Umstand für alle Taucher. Der soeben niedergeschriebenen Begebenheit haben wir es nun also zu verdanken, dass wir einen spannenden Tieftauchgang jenseits der 30-Meter-Marke machen dürfen. 

Hier unten, wo das Licht nur noch schwach in kaltem Blau zu uns durchdringt, machen wir Bekanntschaft mit dem Wrack der Hilmar Hooker, das seine letzte Ruhe auf der Steuerbordseite im Korallensand vor Bonaire liegend hier gefunden hat. Apropos gefunden: Nein, wir haben keinen „Stoff“ im Laderaum mehr gefunden. Der Tauchgang war angesichts der Tiefe und dem dadurch eingeschränkten Luftvorrat ohnehin viel zu kurz, um gründlich nach vergessenen Päckchen zu suchen. Aber interessant war der Tauchgang allemal und ein schöner Abschluss meiner Tauchaktivitäten in der Karibik -vorerst, wie ich betonen möchte.

So, nun kommt Sandra auch mal zu Wort:

Mein Ausflug startet heute recht spät erst um 11:30 Uhr. Ich hatte mich dafür entschieden, im kleinen Kreis  auf einer Yacht entlang der Küste Bonaires entlang zu segeln und bei einem Schnorchelstopp die karibische Unterwasserwelt ein wenig kennenzulernen. Ein kurzer Transfer im landestypischen Bus zur Marina von Kralendijk und schon gehen wir barfuß an Bord. Die Schuhe werden in einer Holzkiste verstaut. Die Yacht ist ein bisschen in die Jahre gekommen und ist nicht das, was ich aufgrund des teuren Ausflugspreises erwartet hatte. Anderen geht es wohl ähnlich, denn ein Pärchen in den Flitterwochen spricht mich leise von der Seite an: „Ich dachte, wir fahren mit einer Yacht?!“ Tatsächlich handelt es sich um ein größeres Segelboot und es wird uns 10 zu einem schönen Schnorchelplatz im Meeresschutzgebiet bringen, Optik und Komfort hin oder her. Der holländische Skipper spricht deutsch, ich platziere mich unweit von ihm unter einem vor der prallen Sonne schützenden Segeltuchdach. Während der doch recht rasanten Fahrt unter Segeln entlang der Küste komme ich mit ihm ins Gespräch und frage ihn ein bisschen aus. So erfahre ich, dass der Luft- und Seeraum Venezuelas in Richtung ABC-Inseln weiterhin auf Grund der politischen Lage dort gesperrt ist. Man möchte verhindern, dass sich Flüchtlinge auf den Weg nach Aruba, Curaçao und Bonaire machen. So patrouillieren Marineschiffe im Seegebiet, um zu überwachen, dass sich nicht doch illegal Venezolaner aufmachen, um der kritischen Lage ihres Landes zu entfliehen. 

Unser Schnorchelguide verteilt derweil die Taucherbrillen nebst Schnorchel und passenden Flossen für jeden, der Schnorcheln möchte. Wir sind im Marineschutzgebiet im Nordwesten von Bonaire angekommen. Der Skipper lenkt sein Boot vorsichtig in eine türkisblaue Bucht und wirft den Anker, denn hier werden wir ins Wasser gehen. Ausgestattet mit der mir zugewiesenen Schnorchelausrüstung nehme ich den sicheren Weg über die Leiter am Heck ins Wasser. Mutigere springen einfach über Bord. Zur Sicherheit lasse ich mir noch eine Schwimmweste geben, denn der Schnorchelausflug wird ca. 30 Minuten dauern und man weiß ja nie. Der Skipper weist uns noch darauf hin, dass wir weder die Korallen noch den Boden berühren dürfen und dann tauche ich meinen Kopf schon unter Wasser, ich bin bereit! Das Wasser ist angenehm warm, die Sicht sehr klar und es tauchen die ersten kleinen Fische auf. Immer darauf bedacht, in der Nähe des Guides zu bleiben, schließe ich wieder zu ihm auf und siehe da, er hat Tintenfische entdeckt und gibt es uns durch Zeichen unter Wasser zu verstehen; in Fünferformation schwimmen sie an uns vorbei. Einige Minuten und zahlreiche Fische weiter ist sie da - eine Meeresschildkröte! Alle sind ganz aufgeregt, jeder versucht einen Blick auf sie zu erhaschen bevor sie in die Ferne entschwindet. Das war der Höhepunkt unserer Schnorcheltour und langsam machen wir uns auf, zurück zum Segelboot. Kaum wieder an Bord, setzt der Skipper auch schon wieder die Segel für die Rückfahrt zur AIDAperla. Es gibt Rumpunsch und belegte Brötchen zur Stärkung. Unser Guide macht noch ein paar Fotos von uns, welche wir uns in ein paar Tagen zusammen mit den unter Wasser gemachten Bildern auf Facebook anschauen können. Die Fahrt zur Marina von Kralendijk geht viel zu schnell zu Ende, es war ein kurzes Vergnügen!

Da das Schiff bereits am frühen Abend um 18 Uhr ablegt, bleibt uns nur Zeit für einen kurzen Spaziergang durch Kralendijk. Das ist nicht weiter schlimm, denn es gibt nichts wirklich Spektakuläres zu sehen. Der Ort ist sehr touristisch, da praktisch jedes zweite Ladengeschäft nicht anderes als touristischen Nippes feilbietet. Gebäude von architektonischer Schönheit findet man kaum. Allenfalls das Postgebäude und das Zoll- und Hafenamt sind sehenswert. So sind wir schnell wieder zurück auf dem Schiff und bewundern von Deck 15 aus das Auslaufen und den Abschied der AIDAPerla von den ABC-Inseln.  

Morgen ist Seetag und Übermorgen landen wir nach einer Passage von 399 Seemeilen (739 Kilometern) in St. George’s auf Grenada an. 

Dort erwartet uns eine Regenwaldwanderung. Gute Nacht liebe Leser!

 

Mehr Fotos in einem ausführlichen Fotoalbum gibt es demnächst, wenn wir wieder Landgang und gutes Internet haben.

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