Dominica

Schon beim Anlegen in Rouseau, der Inselhauptstadt von Dominica wird deutlich, dass diese Insel irgendwie anders ist als das, was wir bisher an Inseln in der Karibik gesehen haben. Zwar ist die Insel bergig und grün, wie wir es von St. Lucia und Grenada her bereits kennen, jedoch hat die Inselhauptstadt eher dörflichen Charakter...

Der Hafen besteht lediglich aus einer kleinen Seebrücke, wie man sie in jedem Baderort an der Ostsee findet. Mit dem Unterschied, dass hier gerade ein Kreuzfahrtgigant mit einer Schiffslänge von mehr als 300 Metern festmacht. Wer das Schiff verlässt, geht auf der kleinen Seebrücke keine 100 Meter bis man direkt auf die Straßen von Rousseau tritt. Einen Kreuzfahrtterminal gibt es schlichtweg nicht. Für heute ist die AIDAPerla mit Abstand das größte Gebäude in diesem Städtchen. 

Wer an Dominica denkt, assoziiert damit die schrecklichen Bilder, die im Jahre 2017 von dem Jahrhunderthurrikan Maria durch alle Medien gingen. Mit seiner ganzen brutalen Gewalt ist dieser tropische Wirbelsturm vor zwei Jahren über dieses Inselparadies hereingebrochen und hat 90% der Gebäude ganz oder teilweise zerstört. Wir hatten vor dem Besuch dieser Insel ein wenig Bedenken, was uns wohl hier erwarten würde. Aber auf den ersten Blick ist von den großen Zerstörungen nichts mehr zu sehen. Nur wenn man genauer hinschaut, dann sieht man in den Seitenstraßen noch immer einige traurige Ruinen. Abgesehen von dem Jahrhunderthurrikan hat Dominica auch sonst bisher wenig Glück gehabt in seiner Geschichte. Früher verdiente man hier sein Geld als Bananenlieferant für das Vereinigte Königreich. Durch den EU-Beitritt Großbritanniens und der Öffnung des Binnenmarktes wurden die hiesigen Bananen zu teuer und waren nicht mehr konkurrenzfähig. Vielleicht könnte Dominica aber bald vom Brexit profitieren, wenn sich Großbritannien wieder aus dem Binnenmarkt verabschiedet, wer weiß? Der Bananenanbau wurde durch den Tourismus als Haupteinnahmequelle abgelöst. Man fragt sich allerdings, wie hoch die Einnahmen aus diesem Sektor sein sollen, denn eine touristische Infrastruktur ist nicht zu erkennen. Der kleine Flugplatz kann keine Jets landen lassen und Hotels haben wir auch keine gesehen. Von dem nicht vorhandenen Kreuzfahrtterminal ganz zu schweigen. Nachdem die Insel zwischen Engländern und Franzosen hin und her gereicht wurde, endete sie schlussendlich als britische Kronkolonie. An diese bewegte Vergangenheit erinnern die unterschiedlichen Ortsnamen wie beispielsweise die beiden größten Ansiedlungen auf dem Eiland Rouseau und Portsmouth. Gesprochen wird heutzutage Englisch und Kreol. Die Autos fahren auf der falschen, also linken Seite. Mittlerweile ist Dominica ein autonomer Staat, wobei auch die Anfänge der Unabhängigkeit nicht vom Glück verfolgt waren. Nachdem im Jahre 1978 die Unabhängigkeit ausgerufen wurde, kam es im Folgejahr 1979 zum bisher schwersten Hurrikan der Inselgeschichte. Das war der Jahrhundertsturm des 20. Jahrhunderts. Dass dann der Jahrhundertsturm des 21. Jahrhunderts im Jahre 2017 so schnell folgen sollte, hätte wohl niemand gedacht. Kleines, armes Dominica! 

Zurück zum Tagesplan:

Wir unternehmen eine Regenwaldwanderung der besonderen Art, denn ein Ureinwohner der Insel führt uns durch den Dschungel und erklärt uns seine Welt.

Wenn wir auf einer Insel der kleinen Antillen von Ureinwohnern sprechen, dann meinen wir damit die Bewohner, die umgangssprachlich als Indianer oder etwas moderner und politisch korrekter als „first nations“ bezeichnet werden. Auch hier zeigt sich eine weitere Besonderheit der Insel Dominica im Vergleich zu ihren Schwesterinseln. Um das zu erklären, ist wieder einmal ein Sprung in die Vergangenheit erforderlich. Bevor Christoph Kolumbus seinen Fuß als erster Europäer auf einen Karibikstrand setzte, war auf allen Inseln der Indianerstamm der Kariben heimisch. Dieser Stamm galt als recht kriegerisch und nicht alle Inseln konnten deshalb von den Spaniern eingenommen werden. Apropos Kolumbus, dieser berühmte Seefahrer soll es gewesen sein, der Dominica seinen Namen gegeben hat, da er die Insel erstmals auf einem Sonntag gesichtet haben soll, im Spanischen ist der Sonntag ein Domingo. Daraus wurde im Laufe der Jahrhunderte dann Dominica. Zurück zu den Kariben: Im Laufe der Jahrhunderte sorgten eingeschleppte Krankheiten und kriegerische Auseinandersetzungen dann doch dafür, dass das unbeugsame Volk der Kariben auf den Antilleninseln aufgerieben wurde. Anders jedoch auf Dominica, denn wie ein kleines gallisches Dorf in einem berühmten französischen Comic den Römern Widerstand leistete, so taten dies auch die Kariben auf Dominica erfolgreich und nachhaltig, obwohl die Insel mittlerweile eine britische Kolonie geworden war. Der Widerstand wurde belohnt, als letztendlich Queen Victoria den Kariben den nordöstlichen Teil der Insel als Reservat zuerkannte. Bis zum heutigen Tage leben dort etwa 3.300 Stammesmitglieder unter sich. Hier auf der Insel nennen sich die Kariben selbst stolz Kalinagos. Obwohl die alte Sprache der Kalinagos leider durch die äußeren Einflüsse nicht erhalten geblieben ist, hat doch ein Wort überlebt und den Weg in viele Sprachen auf der Welt gefunden. Es ist das Wort Burikan, das den alten Gott des Windes bezeichnet und aus dem das Wort Hurrikan hervorging. Hier sind wir wieder beim traurigen Thema des Hurrikans Maria, der, wie bereits oben erwähnt, im Jahre 2017 diese Insel schwer heimsuchte. Bei unserer Fahrt hinauf in die Berge zum tropischen Regenwald bot sich uns ein trauriger Anblick. Während in den menschlichen Siedlungen der Insel die Folgen dieser Wetterkatastrophe auf den ersten Blick weitgehend behoben sind, ist die Natur offensichtlich nicht so schnell in der Lage, die Folgen zu kompensieren. 

Um es drastisch auszudrücken: Der Regenwald wurde überall, wo wir vorbeikamen, durch den Hurrikan um einen Kopf kürzer gemacht. Von den Giganten des Regenwaldes stehen nur noch die Stämme und einige kräftige Äste als mahnendes Gerippe. Nur einige Bäume scheinen wieder auszutreiben, die meisten hingegen sind mittlerweile von tropischen Schlingpflanzen eingehüllt. Ein trauriger Anblick! Und auch am Ausgangspunkt unserer Wanderung sieht es nicht besser aus. Irgendwo im Nichts an der Landstraße steht plötzlich ein Indio am Straßenrand neben einem kleinen Trampelpfad und wartet auf uns. Kein Schild, kein Parkplatz, überhaupt gar nichts deutet auf einen Wanderweg hin. Wir folgen unserem Wanderführer vom Stamme der Kalinagos ins Dickicht, das einst ein stolzer tropischer Regenwald gewesen sein muss. Unser Wanderführer spricht Englisch mit einem Akzent, an den unser Ohr nicht gewöhnt ist, und so verstehen wir nicht jedes Wort. Aber er gibt uns zu verstehen, dass wir vor dem Hurrikan hier unter einem dichten Blätterdach gewandert wären. Jetzt ist die überwiegende Vegetation kaum höher als unsere Köpfe. Ab und zu kommen wir an einem Baumgerippe mit mächtigem Stamm vorbei, der seine Äste und Blätter im Sturm gelassen hat.

Nach kurzer Zeit stehen wir vor einem Wildbach und werden vor die Wahl gestellt, entweder mit einer wenig vertrauenserweckenden seilbahnartigen Konstruktion in luftiger Höhe einer nach dem anderen den Fluss zu überqueren oder einfach durch das knie- bis hüfthohe Wildwasser zu waten. Wir entscheiden uns für die zweite Variante. Also raus aus den Stiefeln und durch! Sicher und trocken bringen wir Kamera und Smartphone hinüber zum anderen Ufer. Dort geht es in trockenen Wanderstiefeln weiter durch die Natur. Hier und da schneidet unser indianischer Freund mit seinem Buschmesser eine Pflanze, nennt sie beim Namen und erklärt ihren Verwendungszweck. Und uns wird schnell klar, an diesem Ort ist gegen alles ein Kraut gewachsen. Nach etwa zwei Stunden erreichen wir einen natürlichen Pool an einem kleinen Wasserfall. Auf der ganzen Strecke gab es, abgesehen von der Hütte eines selbstversorgenden Einsiedlers am Wegesrand kein Anzeichen von Zivilisation. Der Wanderweg ist nicht befestigt, vielmehr ein Trampelpfad, teils sehr matschig und morastig durch den häufigen Regen. Der natürliche Pool riecht leicht moderig und wir verzichten heute auf ein erfrischendes Bad, als ahnten wir, was sogleich über uns hereinbrechen würde. Ein heftiger tropischer Schauer kommt vom Himmel. Etwa eine Viertelstunde lang schüttet es ohne Unterlass in einem unvorstellbaren Ausmaß. Es gibt keinen Teil mehr an unseren Körpern, der trocken bleibt. Gerade noch gelingt es uns, die Elektronik in Plastiktüten wasserfest zu verpacken.

Gerne hätten wir Fotos von diesem Ereignis geliefert, aber dazu wäre meine Unterwasserkamera erforderlich gewesen. Unser Pfad, auf dem wir zurück zum Ausgangspunkt gelangen wollen, löst sich auf und wir waten durch Sumpf und Morast. Die Wanderung wird zur Schlammschlacht. Es ist erstaunlich, wie schnell sich die Dinge relativieren. Wurde ich noch zu Beginn der Wanderung von meiner Frau gerügt, weil ich in einer Pfütze für ihren Geschmack zu heftig auftrat und ein Spritzerchen ihre helle Wanderhose benetzte, sah sie auf der zweiten Hälfte der Wanderung aus, als hätte sie vor dem Auftragen einer Fangopackung vergessen, sich zu entkleiden. Und es war ihr relativ egal, denn es ging nur noch darum, am Ziel der Wanderung anzukommen. Mir ging es nicht anders. Es erforderte höchste Konzentration, an den steil abwärts gehenden Passagen nicht ins Rutschen zu geraten. Schließlich kam unser kleiner Bus mit dem auf uns wartenden Fahrer in Sicht. Der wusste, was zu tun war, um die Stimmung zu retten, denn schnell schenkte er reichlich Rumpunsch aus. Dank dieser Medizin waren die Anstrengungen schnell vergessen. Unsere einzige Sorge galt der Wanderausrüstung und wie wir diese wieder fit und trocken bekommen sollten bis zur morgigen Wanderung auf Guadeloupe.

In unserer Erinnerung wird diese Schlammschlacht in den Bergen von Dominica schnell verblassen. Erhalten bleiben wird die Erinnerung an eine schöne, wenn auch von den Naturgewalten stark in Mitleidenschaft gezogene Insel. Arme aber freundliche Menschen leben auf dieser naturbelassenen Insel, die als ungeschliffener Diamant zwischen Karibik und Atlantik liegt. Wir wünschen dieser Insel von ganzem Herzen für die Zukunft das Glück, das ihr in der Vergangenheit versagt geblieben ist.

Mehr Bilder zu Dominica findet ihr in unserem Fotoalbum!

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