Seetage

Zwischen Guadeloupe und Teneriffa liegen rund 5.000km Wasser. Eine gewaltige Menge!

Unser Dampfer muss nun sechs Tage lang ununterbrochen mit etwa 18 Knoten (ca. 34 km/h) auf einem Kurs von 77 Grad durch die Dünung des Atlantiks pflügen, um pünktlich am Morgen des 21. April (Ostersonntag) in Puerto de la Cruz anzukommen...

Land auf dieser Passage ist nicht weit entfernt, aber dennoch nicht zu sehen, denn es liegt im Schnitt zwischen 3km und 5km unter uns! Bis zum Verfassen dieses Textes am 19. April verläuft die Seereise recht ruhig. Unser Kurs liegt bei Ost-Nordost und seit einigen Tagen trifft von Norden her eine langgezogene atlantische Dünung (der seemännische Fachmann spricht von Schwell) auf die Backbordseite (links) auf den Rumpf des Schiffes, was in diesen Momenten zu einer deutlichen Seitwärtsneigung führt. Diese Rollbewegung ist zu spüren aber noch gut auszuhalten. Ansonsten zeigt sich am Horizont nichts. Wir haben in den zurückliegenden fünf Tagen keine einzige Schiffssichtung gehabt, geschweige denn Land . Abgesehen von einigen fliegenden Fischen gibt es nur Wasser um uns herum, ohne Ende Wasser! Ich habe mir angewöhnt, bei jeder sich bietenden Gelegenheit einen Blick seitwärts am Bug vorbei zu werfen, da sich erfahrungsgemäß dort gerne Tümmler tümmeln. Aber bisher haben auch die sich noch nicht gezeigt. 

Und das Bordleben? Es wird deutlich, dass die Schiffstechnik nicht für derart lange Überfahrten geschaffen ist. So verabschiedet sich bereits in der ersten Nacht das Internet. Bisher ist es der angeblich „unter Hochdruck“ an dem Problem arbeitenden Seemannschaft nicht gelungen, dieses Ärgernis in den Griff zu bekommen. In guten Momenten wird ein Rinnsal an Datenmengen durchgelassen, was dann zum Absetzen einer Whats-App-Nachricht (reiner Text) genügt, sofern man viel Zeit mitbringt, von der wir ja aktuell genügend haben. Aber in der Regel ist es einfach nur tot, das Netz. Als wenn das nicht schlimm genug wäre, hat sich am dritten Seetag dann auch noch die Softeismaschine auf Deck 14 verabschiedet! Kein Wunder, handelt es sich doch um die einzige SB-Softeismaschine auf dem gesamten Schiff, die seit Guadeloupe im Dauereinsatz war. Was also macht man mit so viel Zeit, wenn man sechs Tage auf einem Schiff eingesperrt ist? Man könnte sich auf Deck in die Sonne legen. Das allerdings wird von einer typisch deutschen Unart verhindert, denn bereits am frühesten Morgen wandeln noch im Schutze der Dunkelheit einige dubiose Gestalten über die Decks, um ihre Reviere zu markieren. Es reicht ja nicht aus, nur eine Sonnenliege in Besitz zu nehmen, nein, da werden dann sowohl auf der Back-als auch auf der Steuerbordseite gleichzeitig die Sonnenliegen reserviert, da ja im Laufe des Tages die Sonne wandert und man auch am Nachmittag nicht im Schatten liegen möchte. 

Es wäre zwar ein Leichtes, die besetzten Liegen einfach von dem Handtuch zu befreien, insbesondere da ja absurderweise alle Gäste die gleichen gelb-weiß-gestreiften AIDA-Badehandtücher benutzen, doch uns ist das mit der Sonne ohnehin nicht so wichtig. Denn da, wo wir leben, haben wir definitiv kein Sonnenproblem und beobachten daher eher amüsiert dieses asoziale Treiben. Erstaunlich ist allerdings, dass sich die Täter ausschließlich aus der Rentnergeneration rekrutieren. Da soll noch mal einer auf die „Jugend von heute“ schimpfen. Dennoch geht hier ein eindeutiger Kritikpunkt an die Besatzung: Warum wird diese Unart nicht konsequent durch regelmäßiges Abräumen unterbunden, wie wir es von anderen Schiffsreisen her kennen? Auf Dauer -und sechs Seetage können in dieser Hinsicht eine lange Zeit sein-kann ein solches Verhalten durchaus zu schlechter Stimmung und Spannungen an Bord führen. 

Leider können wir auch unseren persönlichen Rückzugsort, unseren Balkon, nicht so nutzen, wie wir es uns vorgestellt hatten, da wir von links und rechts, pardon Back- und Steuerbord, von Rauchern umgeben sind, die uns fast ohne Unterbrechung ausräuchern. So bleibt die Balkontür meist verschlossen.

Wir vertreiben uns die Zeit mit Ausschlafen, viel Lesen, Essen&Trinken und einem konsequenten Sportprogramm auf Laufband und Ergometer. Auch ist die AIDA-Crew bemüht, mit einem bunten Unterhaltungsprogramm die Gäste bei Laune zu halten. So gibt es über den Tag verteilt mehr oder weniger interessante Informationsveranstaltungen, Vorträge und Lesungen. Mit Bingo sowie Kaffee und Kuchen „für umsonst“ versucht man zwischendurch auch die Rentner von ihren besetzten Sonnenliegen zu locken. Abends gibt es im sogenannten Theatrium quasi ein Ersatz-Fernsehprogramm, indem man versucht, erfolgreiche Fernsehformate live nachzuspielen. So gibt es Quizshows á la „Wer wird Millionär“ oder eine Miniaturausgabe von DSDS/the Voice of Germany, was sich dann hier „the Voice of the Ocean“ nennt. Nachteil: Beim Zuschauer-Voting über das Bordportal wird das selbige durch die zahlreichen Zugriffe zum Absturz gebracht. 

Der Entertainment-Manager Tobias führt allabendlich durch eine Prime-Time-Show, die man sich als interessante Mischung aus Markus Lanz, Harald Schmidt und Schlag den Raab vorstellen muss. Diese Show kann ebenfalls live im Theatrium oder wahlweise auf dem Bildschirm in der Kabine verfolgt werden. Mehrmals täglich verschwenden wir großzügig viel Zeit auch mit dem Versuch, ins Internet zu kommen, um die letzten Reiseberichte zu veröffentlichen. Bisher erfolglos. Auch würden wir gerne einmal wieder richtige Nachrichten lesen. Zwar werden im sogenannten Bordportal auch wichtige Infos veröffentlicht, so dass wir bereits vom Brand in Nôtre-Dame und dem tragischen Busunglück auf Madeira gelesen haben, aber dennoch fühlen wir uns gerade ziemlich abgeschnitten von der Welt, wenn die spärlichen Informationen, die man bekommt, ausgefiltert und vorgekaut sind. Heute feiert beispielsweise mein Bruder einen wichtigen runden Geburtstag (welcher, wird hier besser nicht verraten) und es gibt keine Möglichkeit, zu gratulieren. Das nervt schon!

Mittlerweile haben Sandra und ich uns schon gegenseitig gestanden, dass es uns wirklich nichts ausmachen würde, wenn wir schon einen oder zwei Tage eher auf den Kanaren ankämen. Diese Reise war schön, aber nun ist es auch gut! Es wird zwangsläufig zur Belastungsprobe, wenn man mit so vielen Menschen längere Zeit auf so engem Raum eingesperrt ist. Aber selbstverständlich wollen wir uns nicht beklagen, denn hier wird ja gerade ein echtes Luxusproblem beschrieben.

Meine Lektorin Sandra ist der Meinung, dass dieser soeben verfasste Bericht zu negativ klingt und der geneigte Leser den Eindruck gewinnen könnte, dass das Bordleben ganz furchtbar sei. Daher eine Anmerkung der Redaktion: Im Großen und Ganzen können wir uns wirklich nicht beklagen. Das Essen schmeckt, es gibt genug zu trinken, die Besatzung ist nett, freundlich (abnehmend mit zunehmendem Dienstgrad) und um unser Wohl stets bemüht. Nur um das nochmal klarzustellen.

Nun soll es reichen. Wir melden uns wieder nach unserer Ankunft auf den Kanaren.

Wir sind wohlbehalten in die VILLA CARPE DIEM zurückgekehrt. Das Fotoalbum ist auf dem aktuellen Stand. Ein paar abschließende Worte zu dieser Reise folgen noch. 

Wir wünschen allen Lesern unseres Blogs FROHE OSTERN!

Mehr Fotos zu diesem Kapitel findet ihr wie immer im Fotoalbum unter "Atlantiküberquerung+Land in Sicht"!

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